Sehnsuchtsorte – in Zeiten der Pandemie

Für mich als Fotografen, der im „normalen Leben“ fast täglich neue Menschen kennenlernt und unbekannte Orte entdeckt, ist das Projekt „Sehnsuchtsorte“ eine sehr persönliche Möglichkeit, mit der Corona-Krise und ihren starken Einschränkungen umzugehen. Dafür habe ich Freunde, Bekannte und berufliche Kontakte gebeten, mir ihre „Sehnsuchtsorte“ zu zeigen, an die sie mit Wehmut denken, die ihnen fehlen. Orte, die wegen der Pandemie auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden oder gerade nicht bespielt werden. Schwimmbäder, Sportplätze, Museen, Theater, Kinos, Bars, Fußballstadien, Restaurants, Büros …

Die Menschen fotografiere ich mit aufgesetzten oder in der Hand gehaltenen Masken. Der Hintergrund ist leer, temporär ungenutzt und abgedunkelt. Die Personen scheinen sich wie vor einer Fototapete vom Hintergrund abzuheben – die funktionale Distanz wird deutlich. Zusätzlich führe ich mit ihnen ein Interview, in dem es mir um ihre Wahrnehmung der Veränderungen geht. Und darum, was sie mit ihrem jeweiligen Sehnsuchtsort verbindet.

Ich möchte mit der Arbeit diese besondere Zeit festhalten. Aufzeichnen, welche Gedanken und Gefühle die Menschen in der Krise bewegen, welche Ängste und Hoffnungen sie haben. Außerdem sehe ich mit der Inszenierung der Menschen an ihren Sehnsuchtsorten eine Möglichkeit, diese Plätze sichtbar zu machen. Deren Betreiber sind oft in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation.

Mein besonderer Dank gilt Jamal Cazaré, der mich als Assistent für die Shootings aber auch für die Organisation unterstützt, an alle Inhaber und Betreiber der Sehnsuchtsorte, die sofort verstanden haben um was es mir geht und natürlich an die Protagonisten, die Teils aus dem Juno-Casting Pool entsprungen sind, im Laufe des Projektes aber auch durch herrliche Querverstrickungen zu mir gefunden haben.

Das Projekt wird gefördert duch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen #denkzeit.

Elisabeth Simon, Studentin
Sehnsuchtsort Kino Regina Palast

Meinen ersten Kinobesuch werde ich nie vergessen. Zusammen mit meiner Mama habe ich „König der Löwen“ gesehen, der damals gerade in die Kinos kam. Das Filmtheater in Zeulenroda steht leider nicht mehr, aber die Begeisterung ist mir geblieben.

Nur das Kino schafft es, mich derart in seinen Bann zu ziehen. Ich liebe das ganze Drumherum: die Zeit, die ich mir extra dafür nehme, den besonderen Geruch, die große Leinwand und die Anwesenheit der anderen Zuschauer. Man schaut mit dem ganzen Körper. Große Welten werden an kleine Orte gebracht. Welten, aus denen ich regelmäßig erst durch den Abspann wieder zurück finde, oder erst nach Tagen.

Ich vermisse aber auch Restaurants und Bars. Die Maske verunsichert mich, sie schafft Distanz zwischen den Menschen und ich mag sie mir nach jedem Einkauf einfach nur herunterreißen.

Madeleine Braun, zahnmedizinische Assistentin
Sehnsuchtsort Riff, Bad Lausick

Wasser ist mein Element. In den öffentlichen Hallen ist es zum Schwimmen oft zu voll, man wird gebremst und kann nicht wirklich die Sau rauslassen. Seit fast zwei Jahren bin ich deshalb Mitglied im SV LOK Leipzig Mitte. Im Verein bin nun eher ich die Bremse.

Am Anfang der Corona(aus)zeit hat mir außer dem Schwimmen eigentlich nicht viel gefehlt. Radfahren und Joggen war ja trotzdem möglich. Aber so allmählich vermisse ich die Treffen mit Freunden. Ich würde so gern mal wieder mit ihnen ganz entspannt in einer Kneipe bei einem Glas Rosé sitzen, ein Konzert besuchen oder einen tollen Film im Kino sehen. 

Ich habe keine Angst, mich mit dem Coronavirus anzustecken. Weil ich aber mit meiner MS-Erkrankung zu den Risikopatienten zähle, mache ich mir schon Gedanken darüber, wie mein Körper darauf reagieren würde. Als zahnmedizinische Assistentin bin ich routiniert mit diversen Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Einen Mundschutz trage ich längst täglich.

Nina Doege, Künstlerin
Sehnsuchtsort Tanzraum der Villa 1910

Ich tanze normalerweise mehrmals die Woche. Tanz ist mein Hobby, mein Sport und bedeutet Kommunikation über Berührung und Kreativität durch das „Vertanzen“ von Musik. So bekomme ich den Kopf frei vom Alltag.

Da wir viele Kreative in unserer Hausgemeinschaft sind, die wegen der Pandemie plötzlich alle sehr viel freie Zeit hatten, stifteten wir die Kinder zu einem Filmprojekt an. Es entstand die Gruppe MOVIEKIDS. Sie schrieben ein Drehbuch und verteilten die Rollen. Letztendlich haben auch nahezu alle Erwachsenen der Hausgemeinschaft eine Rolle zugeteilt bekommen und mitgespielt. Einige Wochen später gab es dann eine Filmpremiere im Haus. Die MOVIEKIDS wollen weitermachen.

Thomas Kandelhardt,
Sehnsuchtsort Moritzbastei

Die Moritzbastei ist besonders in der Abschlussnacht des Wave Gothic Treffen ein wichtiger Party- und Tanzort für mich. Seit über 20 Jahren lasse ich mich hier am Ende, also gegen neun Uhr morgens „rausfegen“. Bis dahin werden die allerletzten Kräfte mobilisiert. Denn nach fünf durchtanzten Nächten braucht es diese besondere Kraft des nicht Abschied nehmen Wollens um da noch durchzuhalten.

Vor neun Jahren sind wir zwei auf dem Wave Gothic Treffen in Leipzig zusammengekommen. Jetzt leben wir in Freiburg. An volle Diskos und dicht gedrängte Kneipen sowie Privatpartys ist gerade nicht zu denken. Aber wir müssen die kleinen Clubs stützen und schützen. Denn es sind diese Oasen, die unser Leben bunt und unsere Seelen glücklich machen. Dafür müssen diese Orte weiter betrieben werden. Wir bauen darauf, dass das Wave Gothic Treffen im kommenden Jahr wieder stattfinden kann und dass die Szene kreativ genug ist, diese Krise ohne substanzielle Schäden zu überstehen. Wave Gothic-Süchtige wie uns gibt es ja viele, und diese Sucht ist wunderbarer weise nicht heilbar.

Barbara Weiss, Schauspielerin
Sehnsuchtsort Kabarett Akademixer

Im Februar 2019 habe ich mit den Akademixern für ein erstes Stück geprobt, wir sind damit noch aufgetreten und es war großartig. Andere tolle Projekte waren geplant, aber es ist so viel weggebrochen. Ich vermisse die Struktur und Sicherheit, die mein Beruf mir gegeben hat. Es fühlt sich schlecht an, dass ich arbeiten könnte, aber nicht darf. Wir proben bei den Akademixern für ein neues Stück, aber lassen uns damit ganz viel Zeit, denn wir wissen noch nicht, wann wir wieder auftreten dürfen.

Kostenlose Theater-Livestreams sehe ich kritisch. Den Menschen wird das Bedürfnis genommen, ins Theater gehen zu wollen. Dabei lernt man doch gerade auch durch Verzicht etwas zu schätzen.

Die meisten Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind wegen der Pandemie nicht panisch sondern eher vernünftig, aber nicht übertrieben. Ich finde es furchtbar, wenn mir jemand vorschreibt, was ich darf oder nicht darf. Zu Beginn spürte ich vor allem beim Einkaufen eine große Unsicherheit. Niemand traute sich vor oder zurück, weil man genug Abstand halten wollte. Das fand ich sehr anstrengend. Freunde zu treffen fehlt mir nach wie vor.

Nancy Große, Studentin
Sehnsuchtsort Club Distillery

Die Tille ist ein Club mit 25 Jahren Geschichte. Schon meine Eltern haben hier gefeiert und nun ist es mein Lieblingsort. Ich war sogar schon mal mit meiner Mama gemeinsam hier. Es war ein wunderbarer Abend.

Heute ist dieser Ort mehr als eine Diskothek: eine Kulturstätte mit Nachwuchsförderung, Liveacts, Konzerten und Poetry Slams. Wenn ich zum Tanzen herkomme, dann kleide ich mich so, dass ich mich wohl fühle. Ich treffe auf ein bunt gemischtes Publikum, aber eins verbindet alle: Sie wollen einen tollen Abend erleben und den Tanz vollkommen genießen. 

Am liebsten würde ich meinen ganzen Corona-Frust in der Tille wegtanzen. Bis das wieder möglich ist, verpasse ich keinen Livestream und tanze derweil in meinem Wohnzimmer für mich.

Lise und Alfred, Schüler der Waldorfschule
Sehnsuchtsort Naturkundemuseum

Alfred: Das Naturkundemuseum ist mein Lieblingsmuseum, ich vermisse es gerade sehr. Ich will Meeresbiologe werden und da interessieren mich natürlich die im Wasser lebenden Tiere besonders. Aber auch die Säugetiere hier sehen so echt und lebendig aus, geradeso, als würden sie jeden Moment aufspringen und losrennen. Am besten gefallen mir die Eisbären, Tiger und Leoparden.

Lise: Ich mag die Vögel! Den Storch, die Raben und die Schwalben. Wir haben hier aber auch schon lebende Schlangen und Echsen anfassen können!

Wir vermissen unsere Freunde und den Spielplatz. Aber plötzlich haben wir sehr viel Zeit mit Mama und Papa. Wir unternehmen viel zusammen, lernen auch mal Mathe oder Englisch am Frühstückstisch. Und die Leute haben Zeit zum Ausmisten – wir stöbern gern in den „Zu verschenken“ – Kisten vor den Häusern.

Hannah Sieh, Schauspielerin
Sehnsuchtsort Theaterbühne
ehemalige Pittlerwerke

Für diesen Sommer habe ich mit einer Kollegin ein Theaterprojekt geplant. Das Stück wird das Thema Mensch und Maschine aus weiblicher Perspektive betrachten. Die ehemaligen Pittlerwerke mit ihrem industriellen Charme, ihrer wechselhaften Geschichte und zeitgeschichtlichen Relevanz in der Stadt erscheinen uns als die perfekte Kulisse. Wir denken positiv und gehen davon aus, dass wir dieses Stück trotz der Pandemie realisieren können.

Die meisten Menschen, denen ich in dieser Zeit begegne, gehen sehr rücksichtsvoll miteinander um. Auch mit Maske kann ich andere anlächeln und mit ihnen herzlich lachen. In meinem Freundeskreis versuchen alle geduldig zu bleiben und etwas Positives mitzunehmen. Kürzlich ist mein Vater 70 geworden. Wir wollten eigentlich alle zusammen feiern. Ich bin traurig, dass ich an diesem Tag nicht bei ihm und der Familie sein konnte. Ich sorge mich um die, denen es auch vorher schon schlecht ging. Um die Obdachlosen, Flüchtlinge, Alleinerziehenden und auch um uns Künstler.

Thomas Wollesky, Geschäftsführer ACL
Sehnsuchtsort Gewandhaus

Ich vermisse die Sinfonien und Konzerte, die das größte professionelle Berufsorchester der Welt als musikalischer Leuchtturm mit internationaler Strahlkraft in diesem Saal regelmäßig gibt. Das Gewandhausorchester erlebte ich erstmals als Kind. Damals in den 1980er Jahren war Kurt Masur Gewandhauskapellmeister und diese Musik ist seither in meinem Leben.

Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass die Gewandhausmusiker zwar üben, aber nicht oder nicht in gewohnter Weise auftreten dürfen. Und dass die musikliebenden Leipziger auf Veranstaltungen wie „Klassik airleben“ im Rosental in diesem Jahr verzichten müssen. In der Adventszeit gab es einen Lichtblick: Da wurde ein Busdach der Stadtrundfahrt zur mobilen Bühne für die Gewandhausmusiker. Sie tourten damit zu Pflege- und Sozialeinrichtungen, wo sie aus sicherem Abstand für die Menschen musizierten.

Seit zwei Jahren unterstützt meine Firma nun zusammen mit vielen anderen Firmen und Persönlichkeiten Leipzigs das Gewandhausorchester im Rahmen des Sponsors Club. Es fühlt sich gut an etwas zu tun in diesen Zeiten des Stillstands und ich freue ich mich schon sehr auf ein Wiedersehen mit den Gewandhausmusikern!


Thomas Noffz, Dipl. Ing. Elektrotechnik
Sehnsuchtsort UT Connewitz

An das UT (Union-Theater) meiner Kinderzeit in der DDR habe ich wenige Erinnerungen. Aber ich habe mich sehr gefreut, als die große Leinwand installiert wurde. Kino war für mich schon damals ein Erlebnis. Dann war ich über 20 Jahre weg aus Leipzig in Nordrhein-Westfalen und in Chemnitz. 2014 beschloss ich nach Leipzig zurückzukehren.

Heute wirkt die alte große Leinwand plötzlich ziemlich klein, aber sie begeistert mich noch immer in Leipzigs ältestem Lichtspieltheater. Überhaupt gefällt mir der ganze Bau, angefangen vom langen gefliesten Gang, vorbei am kleinen ehemaligen Kassenhäuschen bis zum Kinosaal mit der imposanten alten Decke. Das Unsanierte hat so viel Charme. Die Initialzündung für meine Liebe zum UT war mein erstes Konzert dort, Steve von Till war mit seinem Soloprogramm zu Gast. Immer wenn der legendäre Baikal-Train Halt macht, bin ich zusammen mit der Frau an meiner Seite dabei.

In dieser Pandemie-Zeit ist es mir eine Selbstverständlichkeit dem Verein zu spenden. Ich wäre untröstlich, würde jetzt ohne Veranstaltungen das Projekt UT scheitern.

Ulrike Lichtenberg, Sängerin, Autorin
Sehnsuchtsort Ballroom

Ich liebe den Ballroom sehr – die verwinkelten Räumlichkeiten der Kneipe, den tollen Freisitz im Hof und natürlich den wunderbaren alten Konzertsaal. Ich singe schon immer. Dass ich im Laufe der Jahre aus meiner Berufung auch meinen Beruf machen konnte, bedeutet mir alles! Im Ballroom habe ich oft auf der Bühne gestanden und gesungen, aber genauso gern unten zur Musik anderer Bands getanzt.

Mir fiel es anfangs sehr schwer zu akzeptieren, dass das Konzertjahr 2020 verloren ist. Nach den ersten Wochen mit Stimmungen von Entsetzen und Panik bis hin zu stumpfer Frustration, habe ich mich aber mit der Situation arrangiert. Statt auf Konzerten und Festivals zu spielen, arbeite ich an einem neuen Album, schreibe Songs und probiere verschiedene neue Techniken aus. Außerdem hat sich mit der „KulturSendung“ tatsächlich eine tolle Alternative zum gewohnten Konzert-Alltag ergeben. Ab und zu spiele ich jetzt im Duo in Leipzigs Hinterhöfen zu den Menschen auf Balkonien. Das stimmt mich versöhnlicher mit der Situation.

Stefan Schmid, Urologe
Sehnsuchtsort Judohalle

Im Alter von 7 -17 Jahren habe ich mal mehr, mal weniger intensiv Judo trainiert. Dann verlor ich diesen Sport für fast 30 Jahre aus den Augen. Heute ist das Training für mich superwichtig. Hier kann ich auch mit sehr anstrengenden Arbeitswochen abschließen. Oft gehe ich todmüde und abgeschlagen in die Halle und komme energiegeladen wieder raus. Das liegt natürlich auch an den tollen Leuten und an dem guten Trainer. Während des Lockdowns war ich oft Radfahren und Joggen. Das war langweilig.

Corona sorgt mich, aber ich habe keine Angst davor. Es gibt so viele andere gefährliche Krankheiten. Würde man denen auch so viel Aufmerksamkeit widmen, käme man vor lauter Angst überhaupt nicht mehr zum Leben. Wirklich Sorgen bereitet mir, dass wir wahrscheinlich auf eine schwere Rezession zusteuern. Und ich sehne mich nach ungezwungenen Kontakten, nach Tanz, Konzerten, Reisen und Kneipenbesuchen, die so vielleicht nie wieder möglich sind. Umarmungen, Händeschütteln, nahe zusammenstehen – diese schönen Dinge haben sich in Rekordzeit aus unserem Alltag geschlichen.


Katja Körber, Schauspielerin
Sehnsuchtsort Wohnwagen

Mit dem Wohnmobil zu reisen bedeutet Freiheit für mich. Jeden Tag ganz ungeplant an einen unbekannten und überraschenden Ort zu kommen ist herrlich. Da ist es mir auch egal, wenn es nur Müsliriegel zu essen gibt und ich mich im kalten Fluss waschen muss. Am Ende sind doch genau das wertvolle Momente einer Reise.

Ich liebte die Reisen nach Island und Norwegen. Die Natur dort ist der Wahnsinn. Sobald es wieder möglich ist, werden wir unsere im Sommer ausgefallene Reise nach Slowenien nachholen: in einer Hütte in den Bergen schlafen, wandern und mit unserem aufblasbaren Kajak paddeln.

Ende März, als alles gerade geschlossen wurde, wollten wir eigentlich nach Luxemburg reisen. Mein Mann Kevin war dort zu einem Live-Hörspiel für Kinder eingeladen. Ich hätte es mir mit unserer Tochter Ronja sehr gern angesehen, aber nun ist es auf unbestimmt verschoben. Hinfahren wollten wir mit der Bahn, zurück mit dem Flugzeug. Das wäre Ronjas erster Flug gewesen – der nun wohl sehr lange auf sich warten lassen wird, was ja in Sachen Klima auch vollkommen ok ist.

Manja Klinge, Diplom-Bauingenieurin
Sehnsuchtsort Beachvolleyballplatz am Stadthafen

Beachvolleyball ist ein Teamsport. Das gemeinsame Spiel vereint Athletik, Schnelligkeit, geschicktes Taktieren und den Spaß am Kampf um den nächsten Punkt. Mir fehlen Sand, Sonne, Luft, der Ball und der Geruch von Sonnencremé sehr. Aber am allermeisten vermisse ich das kühle Getränk danach, die Zufriedenheit, und natürlich die Unterhaltungen mit den Sportpartnerinnen, die ich nun schon seit fast 10 Jahren kenne.

Ohne Team fällt es mir mittlerweile schwer, mich zum Sport zu motivieren. Alles, was ich momentan sportlich hinbekomme, dient lediglich dazu, nicht völlig aus der Form zu geraten.

Susann, Grundschullehrerin
Sehnsuchtsort Max Klinger Chor
Ringcafé in Leipzig

Im Ring-Café kommt der Max-Klinger-Chor normalerweise einmal pro Woche zum Proben zusammen. Momentan sind die Chorproben virtuell, aber ich kriege in meinem Zimmer alleine keinen Ton heraus. Ich habe viele Jahre im Kirchenchor gesungen und wollte nach einer Pause mal etwas anderes machen. Mir gefällt, dass der Klinger-Chor mit Klassik, Jazz und Pop ein so breites Repertoire hat. Aber auch, dass wir mit dem Chor oft gemeinsam unterwegs sind. Mal schauen, ob die Chorfahrt an die Ostsee im Sommer stattfinden kann.

Bloß gut, dass ich in der Schule in diesem Jahr keine eigene Klasse habe. Ich unterrichte nur Englisch, weil ich nebenbei noch einmal studiere – Anglistik. Die Schüler bekommen von mir Aufgaben per Mail.


Karolina Trybala, Sängerin
Sehnsuchtsort Westflügel

Den Lindenfels Westflügel entdeckte ich 2010 auf der Suche nach einem besonderen Ort für mein Diplomkonzert. Später habe ich dort unvergessliche Theateraufführungen und Konzerte von Künstlern aus aller Welt erlebt und eigene Veranstaltungen organisiert. Es ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Inspiration, den ich schmerzlich vermisse.

Ich mach mir Sorgen um die Demokratie. Ich denke dabei an meine Heimat Polen, aber auch an Ungarn, Israel und die Türkei. Die Machthaber dieser Länder nutzen den Ausnahmezustand, um ihre Position zusätzlich zu stärken.

Die Maske, vor allem die medizinische, verbinde ich mit Gefahr. Ich denke an Krankenhäuser, Operationen und Notfälle. Durch das Bild der Maske in den Straßen wird bei mir das Bewusstsein für die Ausnahmesituation wachgehalten. Ich reise gern, treffe privat und beruflich ständig auf neue Menschen und will mit ihnen in Kontakt treten. Durch die Maske ist die zwischenmenschliche Kommunikation erheblich erschwert.

Ich bin sehr dankbar über die Livestream-Konzerte im Werk II, in der Thomaskirche und im Gewandhaus, mit denen ich medial präsent sein konnte. Aber die Energie der Zuhörer und der Austausch fehlen mir!

Norbert Wagenbrett, Maler
Sehnsuchtsort Museum der bildenden Künste

Ich stehe hier in meiner ersten institutionellen Solo-Ausstellung in meiner Heimatstadt und niemand kann herkommen und sie sich anschauen. Das ist schon eine sehr skurrile Situation und ich hoffe sehr, dass sich das noch ändert. Glücklicherweise hat das Museum schnell auf diese außergewöhnliche Situation regiert und ein digitales Format entwickelt, mit dem wir die Ausstellung online eröffnen konnten. Im Gespräch mit dem Direktor Alfred Weidinger spreche ich dort über meine Laufbahn und einzelne Bilder.

Ich habe das Glück, dass ich als Maler auch in Zeiten der Pandemie recht frei arbeiten kann. Ich muss als Künstler nicht auf einer Bühne stehen, sondern kann mich in meinem Atelier selbst verwirklichen. Aber natürlich fehlen auch mir die sozialen Kontakte, die Freunde, der Austausch.

Dan Wesker, Fotograf und Sprecher
Sehnsuchtsort Hauptbahnhof

Auf dem Leipziger Bahnhof anzukommen, als ich Anfang der 1990er Jahre aus London in ein neues Leben aufbrach, hatte schon was. Diese Architektur ist einfach gewaltig – erhaben und kraftvoll zugleich. Er ist bestimmt kein Zufall, dass ich noch immer fußläufig in seiner Nähe wohne.

Ich kam als „romantic socialist“ in den Osten Deutschlands. Ich glaubte daran, dass es mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten eine bessere Version des Kapitalismus geben könnte. Ich wollte mir den Wind einer neuen Zeit am rechten Ort frisch um die Nase wehen lassen. Damals war alles Punk in Leipzig. Ich hatte das Gefühl in einem deutschen Avantgardefilm aufgewacht zu sein. Es war einfach so total anderes.

Ich bin geblieben, habe eine Familie gegründet, arbeite als Fotograf und Sprecher. Meine Mutter wohnt inzwischen in Brighton. Wir skypen jeden Abend miteinander. Es ist sehr schwer zu akzeptieren, dass ich sie wegen des Virus nicht besuchen kann.


Clara Deckenbach, Schülerin
Sehnsuchtsort Riff, Bad Lausick

Wasser mag ich wirklich sehr. Ich liebe es, vom Beckenrand hinein zu springen, zu rutschen und meinen Bruder nass zu spritzen. Ende März wollten wir zusammen einen Schwimmkurs machen, der fiel ins Wasser. Das Schwimmen lernen muss also noch warten.
Ich vermisse meine Freunde aus der Kita, den Zoo, den Spielplatz und Oma und Opa. Meine Patentante wollte uns nach langer Zeit besuchen – auch das geht nicht. Aber ich freue mich riesig auf meinen ersten Schultag und das Zuckertütenfest!

Familie Frohberg
Sehnsuchtsort Moritzbastei

Die Moritzbastei ist der letzte erhaltene Teil der alten Leipziger Stadtbefestigungsanlagen, deren Bau 1551 von Kurfürst Moritz von Sachsen beauftragt wurde. Ihre alten verwinkelten Gewölbe sind eine perfekte Kulisse für schwarze Feste.

Wave-Gotik-Metall, das ist die Lebensphilosophie unserer Familie. Meine Eltern haben die Anfänge des Wave Gothic Festivals miterlebt, es mit gestaltet und organisiert, lange bevor es ein kommerzielles Festival wurde. Mich haben meine Eltern schon mitgenommen, als ich noch ganz klein war. Alljährlich zu Pfingsten zum Wave Gothic Treffen zu gehen ist wie Heimkommen. Wir sehen dort viele Freunde, die weit weg wohnen. Der Lockdown 2020 hat uns hart getroffen, denn die große Wiedersehensfeier blieb aus. Ich hoffe, dass wir 2021 unsere Freunde und Lieblingsbands mit Maske wiedersehen können.

Ich singe im MDR Kinderchor, der wegen der Pandemie leider pausieren muss. Singen passt nicht gut zu diesem Virus.

Thomas Rötting, Fotograf und Sinologe
Sehnsuchtsort Restaurant Chinabrenner

Dieser Ort ist so authentisch und intensiv, dass er einen ans andere Ende der Welt beamt, sobald man an einem der großen runden Tische Platz genommen hat. Ich habe das Konfuzius-Institut in Leipzig mit aufgebaut und elf Jahre lang geleitet. Mit dem Restaurantchef vom „Chinabrenner“ Thomas Wrobel konnte ich daher viele gemeinsame Kulturveranstaltungen aushecken, zum Beispiel großartige Rockkonzerte. Und ich habe jede Gelegenheit genutzt, Gäste des Instituts zum Chinabrenner auszuführen.

Während des ersten Lockdowns habe ich gar nicht so viel vermisst, sondern eher die besondere Reduktion des üblichen gesellschaftlichen Rauschens beobachtet und teils auch genossen. Skaten mit meinen Kids auf der leeren Karli war da schon ganz cool.

Von 2001 bis 2003 studierte ich in China und war also auch zur SARS-Krise im Land. Wochenlang durften wir den Campus nur mit Spezialgenehmigung verlassen und das Reisen war stark eingeschränkt. Die SARS-Erfahrung haben die meisten Chinesen noch vor Augen und so war das derzeitige gesamtgesellschaftliche Anlegen des Mundschutzes eine bereits geübte Geste. Gestaunt habe ich, wie lange es in Deutschland bis zur allgemeinen Maskenpflicht dauerte.

Julia Sophie Wagner, Sängerin
Sehnsuchtsort Oper, Leipzig

Am 2. Mai hätte ich in der Premiere von Mozarts „Zauberflöte“ zum ersten Mal als Pamina auf der Bühne der Oper Leipzig gestanden. Das ist für mich die Traumrolle schlechthin. Meine eigene Pamina zu erschaffen, an einem erstklassigen Haus wie der Oper Leipzig, mit hervorragenden Kollegen – das wäre ein Highlight meiner Karriere gewesen, auf das ich lange hingearbeitet habe. Diese Produktion ist der Pandemie zum Opfer gefallen und wird nicht nachgeholt.

Absurderweise ist „in die Maske singen“ ein sehr häufig gebrauchtes Bild, um in der Vorstellung den richtigen Stimmsitz zu finden. Dabei ist aber die venezianische Maske gemeint, also der Stimmsitz im oberen Teil des Gesichts. In die Schutzmaske zu singen funktioniert hingegen überhaupt nicht.

Ich muss aufpassen, meine Wünsche als Künstlerin nicht über den Schutz der Gesundheit zu stellen. Musiker wollen Musik machen für Menschen, nicht mehr und nicht weniger. Deshalb versuche ich, meine Kreativität sinnvoll zu kanalisieren und die digitalen Medien zu nutzen. Ich möchte selbst sichtbar bleiben, Kollegen in der freien Szene helfen, die gesellschaftliche Relevanz der Kunst aufzeigen und sie lebendig erhalten. Denn wozu sonst das alles?

Michael Maul, Intendant des Bachfestes
Sehnsuchtsort Grand Canyon (fotografiert im Zoo Leipzig)

Der Eingang ins Gondwanaland im Leipziger Zoo erinnert mich an meine erste Reise in den Wilden Westen 2012. Die Landschaften der großen Nationalparks vor allem aber des Grand Canyon haben mich total umgehauen. Einige Jahre später unternahm ich dort eine fünf-tägige Wanderung auf einem alten Indianerpfad. Ich musste mich selbst versorgen, das Wasser aus dem Colorado filtern und begegnete nur drei Menschen. Ich fühlte mich wie Indiana Jones auf Entdeckungsreise.
Das Bachfest 2020 sollte die größte Zusammenkunft der globalen Bach-Community ever werden. Wir haben nicht nur die großen, berühmten Namen eingeladen, sondern auch etwa 50 Bach-Chöre aus aller Welt, um in Bachs Kirchen zu musizieren. Die Resonanz und die Vorfreude waren gewaltig. Doch wir alle hatten einen Gast nicht auf der Rechnung: Das verdammte Virus, das im Frühjahr 2020 unsere Pläne zunichte machte.

Gar nicht spielen wollten wir dann aber auch nicht. Und so stellten wir in Windeseile mit unseren lokalen Musikern ein Programm zusammen. Als wir am Karfreitag die Johannes-Passion Bachs mit nur drei Musikern vor Ort aus der Thomaskirche rund um den Globus streamten und die vielen Bach-Chöre aus aller Welt selber mitsangen, schlugen die Emotionen sehr hoch. Damit haben wir Corona sozusagen überlistet. Ich bin trotzdem glücklich, dass wir das große Fest nun 2022 nachholen werden.